Berufseinstieg „Frauen erfahren oft, dass sie nicht genug sind“

Linda Flath ist Chief Operating Officer (COO) der Karrieremesse herCAREER, die speziell auf weibliche Berufsplanung setzt. Im Interview hat sie uns verraten, mit welchen Herausforderungen Frauen in der Arbeitswelt (immer noch) zu kämpfen haben und warum es weit über ein Jahrhundert hinaus dauern wird, bis REAL FEMALE EMPOWERMENT erreicht werden kann. Das ist auch für unsere Kund:innen relevant – gemeinsam mit Kolleg:innen aus der Academy nehmen sie regelmäßig an der Veranstaltung teil und holen sich neuen Input für ihren individuellen Karriereweg.

„Es geht nicht um Frauen gegen Männer – sondern um einen gemeinsamen Fortschritt“

Frauen sind erfolgreicher denn je und immer häufiger in Führungspositionen anzutreffen. Warum braucht es trotzdem eine Karrieremesse speziell für Frauen?

Frauen haben in den vergangenen Jahrzehnten unglaublich viele Rechte erkämpft. Aber auch heute noch erleben sie bei Weitem nicht überall eine gleichberechtigte Teilhabe. Es gibt Fortschritte, aber auch Rückschritte. Laut der jüngsten Prognose des Weltwirtschaftsforum im Gender Gap Report 2023 wird es noch 131 Jahre dauern, bis Frauen und Männer beruflich gleichgestellt sind. Das muss doch schneller gehen!

Deshalb haben wir die herCAREER ins Leben gerufen – eine Karriereplattform, die alle Aspekte einer weiblichen Karriereplanung berücksichtig, einschließlich der familiären Aspekte. Die herCAREER bietet Frauen in allen beruflichen Phasen Unterstützung und stärkt sie in ihrem Umfeld – also sowohl beim Job-Ein- und -aufstieg als auch bei der Gründung eines eigenen Unternehmens. Durch unsere verschiedenen Formate fördern wir den Austausch über Hierarchien hinweg. Wer die Plattform nutzt, vor Ort, auf der Messe oder online, kann direkt mit Role Models, Insidern, Expert:innen und Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur, Politik und Medien sprechen und von deren Erfahrungen profitieren. Damit hebt sich die herCAREER bewusst von anderen Karriere-Messen ab. Man kommt wohl nirgends so schnell, locker und auf Augenhöhe ins Gespräch wie auf der herCAREER.

„Wir machen Frauen sichtbar, fördern Vernetzung und gegenseitiges Empowerment“

Wichtig ist uns aber auch, dass es nicht nur an den Frauen liegt, sich selbst Chancengleichheit zu verschaffen. Das wäre zu kurz gesprungen. Es braucht Strukturen und Prozesse in der Arbeitswelt, die Gleichstellung ohne persönliche Anstrengungen ermöglichen – übrigens nicht nur für Frauen, sondern für alle Menschen. Wie das umsetzbar ist, für diese Fragen ist die herCAREER DIE Diskussionsplattform. Unternehmen und ihre Verantwortlichen sind dazu eingeladen, gemeinsam über Lösungen nachzudenken. Es geht dabei nicht um Frauen gegen Männer – sondern um einen gemeinsamen Fortschritt.

Was macht die herCAREER-Expo anders als andere Karrieremessen?

Wir brechen mit vielen Dingen, die man von klassischen Jobmessen kennt. Auf der herCAREER geht es nicht nur darum, einen neuen Job zu finden, sondern auch ein Netzwerk und gute Beziehungen zu Unternehmen aufzubauen. Das erreichen wir zum Beispiel dadurch, dass Unternehmen aktiv großartige Role Models aus ihren eigenen Reihen auf der Messe einbinden. Diese Vorbilder ziehen weitere tolle Frauen nach. Denn wie heißt es so schön: „If she can see it, she can be it“. Diese Frauen machen wir sichtbar, aber vor allem nahbar: an zwei Messetagen und auch ganzjährig über unsere Plattform, wo wir zum Beispiel Frauen als Mentorinnen und Sparringspartnerinnen vorstellen. Wir veröffentlichen nun auch erstmals ein eigenes Buch, das knapp 30 Frauen porträtiert und die Höhen und Tiefen ihrer Karriereentwicklung aufzeigt. Auch hier bleibt es nicht beim Buch: Leser:innen können sich bei den vorgestellten Role Models als Mentee bewerben.

„Eine weitere Besonderheit der herCAREER ist ihre Themenvielfalt im Programm“

Neben der Jobsuche stehen alle möglichen Fragen der Arbeitswelt im Fokus: zum Beispiel New Work, Data Science oder finanzielle Vorsorge. Das bewegt sich auf Kongressniveau. Und dabei gibt es zwar klassische Vorträge und Panels, aber immer mit einem hohen Grad der Interaktion. So regen wir den fachlichen und persönlichen Austausch auf allen Ebenen an. Das schafft eine ganz besonders unterstützende und positive Atmosphäre. Es ist viel Freue bei allen Menschen in den Hallen zu spüren. Und meistens ist man schnell beim Du – egal, ob man sich mit einer Absolventin oder einer Vorständin unterhält.

Aber natürlich kann man auf der Messe auch ganz klassisch einen neuen Job oder passende Weiterbildungsangebote finden. Wir haben dazu unter anderem ein Tool im Einsatz, dass basierend auf den eigenen Kenntnissen und Erfahrungen die Besucher:innen zielgerichtet mit den Aussteller:innen oder Speaker:innen inhaltlich matched. Und das schon im Vorfeld. Wir kuratieren quasi den Zufall. Sich zu bewerben, war noch nie so einfach wie auf der herCAREER. Über eine digitale Bewerbungsmappe können Jobsuchende mit einem Click ihre Bewerbung am Messestand übergeben. Das ist auch für Unternehmen von Vorteil. Denn sie können hinterher klar messen, wie viele Besucher:innen sie erreicht haben.

„Ein Unternehmen aufzubauen und stetig weiterzuentwickeln, ist wie ein Hürdenlauf“

Wie kam es zur Idee für die herCAREER-Expo?

Die Idee hatte unsere Gründerin Natascha Hoffner schon 2015. Wir beide kennen uns von einem früheren Arbeitgeber. Und eines Tages rief sie mich an und erzählte mir davon. Ziemlich genau eine Woche später fuhr ich mit zwei Koffern nach München. Gemeinsam haben wir an einem Schreibtisch mit einem Telefon angefangen. Messe machen können wir und haben uns daher, auch weil es anders nicht möglich war, mit nur sechs Monaten Vorlaufzeit die erste herCAREER organisiert.

Gab es besondere Herausforderungen, denen Sie sich stellen mussten? Wie sind Sie diesen begegnet?

Ein Unternehmen aufzubauen und stetig weiterzuentwickeln, ist wie ein Hürdenlauf. Deshalb braucht es eine ordentliche Portion Durchhaltevermögen und eine ausgeprägte Stehauf-Mentalität. Uns hat es geholfen, dass wir bereits auf ein bestehendes Netzwerk zugreifen konnten – auch wenn es noch nicht so groß war wie heute. So hat sich die eine oder andere Tür sicherlich einfacher geöffnet. Wobei man auch nicht vergessen darf: Wenn man nicht überzeugt und liefert, bringt auch das beste Netzwerk nicht viel. Bei jedem neuen Konzept fragen wir uns damals wie heute: Was würden wir wollen, wenn wir Besucher:innen der herCAREER wären? Wir wollen Frauenkarrieren fördern und ausgehend von dieser Idee machen wir Dinge auch mal bewusst anders, um unseren Purpose zu verwirklichen.

Die Pandemie war auch sicherlich ein Treiber, das Geschäftsmodell noch breiter aufzustellen. Das hat die Unternehmenstransformation beschleunigt. So betreiben wir heute nicht nur eine Messe, sondern auch eine digitale Matching-Plattform, einen zweiwöchentlichen Podcast und eine Online-Academy, zu der sich Teilnehmer:innen weltweit zuschalten. Da wir auf Inhalte setzen, war es auch eine strategische Entscheidung, eine Chefredakteurin einzustellen. Und wir haben noch einiges vor. Dabei spielt uns in die Karten, dass wir uns thematisch mit Unternehmertum beschäftigten. Es ist unser Business Brücken zu bauen und neue Möglichkeiten und Zugänge zu Netzwerken zu schaffen.

Ich beobachte außerdem, dass jede Frau ihre Stärken hat, aber auch Zweifel, ob sie diese auf die Spur bringen kann

Was sind – Ihrer Erfahrung nach – die größten Hürden für Frauen im Berufsleben?

Diese Frage hat eine individuelle und systemische Komponente. Frauen mit Kindern oder ohne, Vollzeit- oder Teilzeitarbeitende, Frauen verschiedenen Alters oder unterschiedlicher (sozialer) Herkunft – alle haben andere Voraussetzungen und Herausforderungen zu meistern. Natürlich betrifft dies vor allem Menschen, die keinen deutsch Pass oder deutsch-klingenden Namen haben. Ich beobachte außerdem, dass jede Frau ihre Stärken hat, aber auch Zweifel, ob sie diese auf die Spur bringen kann.

Deutsche Bildung Academy

Mit der Deutschen Bildung kannst du dein Traumstudium finanzieren – egal ob im In- oder Ausland. Doch wir bieten mehr als nur Geld: Mit unserer Studienfinanzierung bekommst du automatisch Zugang zur Deutsche Bildung Academy. Sie umfasst Bewerbungsberatungen, Einzelcoachings, Wochenendworkshops und mehr für deinen individuellen Bildungs- und Berufserfolg. Außerdem wirst du Teil eines dynamischen Netzwerks aus (ehemaligen) Kund:innen, Berufseinsteiger:innen, Unternehmenspartnern, Coaches und Karriere-Profis. So startest du bestens vorbereitet ins Arbeitsleben.

Manchmal steht man sich einfach selbst im Weg und traut sich zu wenig zu – ich kenne das von mir. Frauen erfahren oft, dass sie nicht genug sind. Gleichzeitig können sie es oft niemand recht machen, auch nicht sich selbst. Man kann persönlich vieles tun, um sich von diesen Zwängen frei zu machen. Wenn wir merken, dass wir Menschen in eine Schublade stecken und auf unsere „unconscious Biases“ hereinfallen, sollten wir das thematisieren. Warum sind es zum Beispiel immer die Frauen, die für Care-Arbeit zuständig sind und die beruflich zurückstecken sollen. Nur wenn wir das gemeinsam in Organisation ansprechen, bei jeder Beförderung oder Neueinstellung thematisieren, können wir eine neues Narrativ etablieren und uns gegenseitig unterstützen, egal welchen Background wir haben.

Das ist aber vor allem eine Aufgabe, bei der Unternehmen gefragt sind. Sie gestalten die Rahmenbedingungen und können durch Information, Kommunikation und klare Regeln viele Hürden vermeiden. Wer bei der Auswahl von Bewerber:innen klare Kriterien anlegt und vor allem auf die Kompetenzen schaut, schafft Chancengleichheit für Frauen und für alle Menschen. Deshalb verstehen wir uns auch ganz stark als Diskussions- und Inspirationsplattform für Personalverantwortliche, die diese Gestaltungsmacht in ihren Organisationen haben.

Welche Weichen müssten gestellt werden, um Frauen den Einstieg ins Berufsleben und die Karriereplanung zu erleichtern?

Das fängt schon ganz früh an. Die Eltern sind die ersten Menschen, die uns bei der Karriereplanung begleiten. Was sie zuhause vorleben, prägt Menschen oft ein Leben lang. Ebenso die Erfahrungen in KiTa, KiGa und der Schule. Zum einen sind es hier die Materialien, die Kindern und Jugendlichen zur Verfügung stehen. Bücher mit Vorbildern, Spiele, die Kinder gemäß ihrer Talente fördern, Aufgabenstellungen, die weg gehen von rosa-blau, Mädchen machen das, Jungs machen jenes. Ich musste in der Schule noch Häkeln, Stricken und Knüpfen lernen, während die Jungs in den Werkunterricht durften.

Heute habe ich noch immer lieber eine Bohrmaschine, eine Säge oder einen Schraubenschlüssel in der Hand als eine Stricknadel. Gefördert wurde das nicht, im Gegenteil.

Hinzu kommt, dass man junge Menschen oft nicht fragt, was sie wollen, sondern nur darauf schaut, was der Arbeitsmarkt braucht. Das mag aus Sicht der Unternehmen sinnvoll sein, für die Frauen am Anfang ihrer Karriere ist es das oft nicht. Natürlich ist es wichtig, dass ihr Beruf Zukunft hat und gefragt ist. Aber Berufsbilder verändern sich so schnell und radikal, dass man hier besser den eigenen Stärken folgen sollte.

All das sind Aufgaben für die gesamte Gesellschaft, für Erzieher:innen, Lehrer:innen und Politiker:innen, aber auch für Akteure in Unternehmen. Sie können schon frühzeitig Kontakte knüpfen und Netzwerke mit Menschen am Anfang ihrer Karriere aufbauen. Vor allem können sie Frauen aus den eigenen Reihen bestärken, die Bühne zu suchen, um Vorbild und Inspirationsquelle für andere zu sein.

Falls man das so pauschal sagen kann – wo liegen grundsätzlich die Stärken von Frauen im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen? Und in welchen Bereichen können Frauen noch selbstbewusster werden?

Das kann man tatsächlich nicht pauschal beantworten, ohne Klischees zu bedienen. Aber Studien zeigen, dass sich Frauen oft erst bewerben, wenn sie alle Anforderungen in Stellenanzeigen erfüllen. Männer trauen sich oft mehr zu und bewerben sich auch, wenn die sie die geforderten Kompetenzen erst noch erlernen müssen. Da wäre manchmal mehr Mut gefragt. Dabei kann zum Beispiel ein Coaching helfen. Es wäre gut, wenn Unternehmen dies aktiv unterstützen und Frauen besser aufzeigen, was sie können und wie sie sich entwickeln. Ein Stückweit können sie das auch steuern, indem sie Stellenanzeigen so formulieren, dass sie Frauen stärker ansprechen. Es gibt Eigenschaften, die stärker weiblich oder männlich assoziiert sind. Die Forschung zeigt, dass man mit weiblich-assoziierten Begriffen mehr Frauen ansprechen kann, ohne Männer zu verlieren.

Wichtig ist mir zu betonen: Ein gesundes Selbstbewusstsein ist schön. Selbstbewusstsein von Frauen einfordern ist allerdings keine Lösung! Sie werden auf diese Weise doppelt bestraft. Einerseits haben sie nicht die gleichen Chancen wie Männer und dann schiebt man ihnen auch noch selbst die Schuld dafür in die Schuhe. Oft ist es so, dass man auf dem Papier Frauen in Führungspositionen fordert und dann doch nicht die Ziele erfüllt oder Frauen aus wichtigen Positionen entfernt. Wichtig ist es dann, sich auf die gemeinsamen Werte und Ziele zu besinnen. Frauen können vieles erreichen. Aber dafür müssen sie sich mit anderen zusammentun.

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Porträtfoto: ©Sung-Hee Seewald 

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